Zurück zur Wanderbeschreibung
Wanderer unerwünscht?
Begegnung mit dem Jäger im Fischbachl
 
Die Vorgeschichte
Die Vorgeschichte

Im Juli 2015 erreichte mich eine Email von einem Mitarbeiter des Landratsamts, der mich darauf hinwies, dass der Berufsjäger, der für das Gebiet um Paindl zuständig ist, eine Familie daran gehindert hatte, die Fischbachl-Tour zu unternehmen. Die darauf entstandene Diskussion und Betrachtungen zum Naturschutz im Fischbachl kann man hier nachlesen.

Da es auch im Naturschutzgebiet erlaubt ist, vorhandene Pfade zu begehen, wir aber einen Teil auf dieser Tour tatsächlich weglos zurückgelegt hatten, bin ich im September 2015 nochmal ins Fischbachl aufgebrochen, um diesen weglosen Teil auf vorhandenen Wegen zu umgehen. Das ist mir auch gelungen, aber dabei stieß ich tatsächlich mit dem angestellten Berufsjäger und Förster zusammen.

Dazu muss man wissen, dass das die beiden Bergrücken nördlich und südlich des Fischbachls inkl. der Almgelände Paindl und Möslalm nicht zu den Bayerischen Staatsforsten gehören, sondern sich in Privatbesitz befinden (schön in der Karte aufdieser Seite zu sehen) und die Besitzer daher einen Förster und Jäger angestellt haben, der sich um das Gebiet kümmert.

Nun gelten im Privatwald in Bayern allerdings genau dieselben gesetzlichen Regelungen wie in den Staatsforsten, so dass ich mir keiner Schuld bewusst war, als ich dort das erste Mal auf einem Quad-Fahrweg und das zweite Mal auf einem kartenverzeichneten Wanderpfad mit dem Jäger zusammentraf, im Gegenteil war ich ja sogar der Meinung, ich tue was Gutes, weil ich die weglosen Teile der Tour überflüssig machen wollte. Der Jäger und sein Gehilfe sahen das allerdings völlig anders, und die "Diskussion" *hust*, die sich daraus entspann, gebe ich hier mal wieder, weil sie ein interessantes Beispiel für die Art und Weise ist, auf die private Jäger immer wieder versuchen, Wanderern den Zugang zu ihrem Revier zu verweigern.

Wer vor hat, die Tour durchs Fischbachl zu unternehmen, wogegen nach momentaner Rechtslage überhaupt nichts spricht, kann sich so auch schon mal auf die Argumente vorbereiten, die ihm bei einer eventuellen Begegnung vermutlich an den Kopf geworden werden. Ein wichtiger Hinweis aber gleich vorab: Auch wenn das Auftreten des Jägers ziemlich dreist war, so sind die Naturschutzüberlegungen trotzdem gerechtfertigt, und ich bitte jeden darum, das Fischbachl aus Rücksicht auf die Tierwelt nur im Juli und August zu besuchen. Da kann dann auch kein vernünftiger Naturschützer oder Jäger mehr irgendwas dagegen sagen, wenn die Tiere 10 Monate ihre Ruhe haben und dann in 2 Sommermonaten, wo man sie aufgrund der langen Tage auch nicht in der Dämmerung belästigt, mal hin und wieder einem Wanderer begegnen...

separator
Die Begegnung mit dem Jäger
Die Begegnung mit dem Jäger

Das erste Mal trafen wir zusammen, als Herr B. (ich nenn ihn mal so, damit ich nicht immer "der Jäger" schreiben muss... Wer im Internet sucht, wird schnell fündig, wer der Jäger in Paindl ist, es gibt sogar Veröffentlichungen von ihm in Jagdzeitschriften oder Bilder im Internet. Auch im Film "Auf der Jagd ~ Wem gehört die Natur?" von 2017 ist er zu sehen und wird im Abspann namentlich genannt.) mit seinem Azubi auf dem Rücksitz mit seinem Quad auf dem Fahrweg nördlich des Fischbachls hinunterfuhr. Zu diesem Weg später noch mehr... Ich war gerade dabei, den alten Pfad zu suchen, der zur Möslalm führte und von dem Quadweg teilweise zerstört wurde. "Ja wo kommst denn Du jetzt her!" war die unfreundliche Eröffnung. Ich deutete unbestimmt in die ein oder andere Richtung. "Und wo willst hin?" "Ja, runter zur Möslalm" und deutete sicherheitshalber den Fahrweg hinab Richtung Alm, weil mir da schon klar war, mit wem ich es wohl zu tun hatte.

Nach ein paar misstrauischen Blicken fuhren die beiden inkl. totem Federvieh im Gepäck weiter nach unten und ich nahm die Suche nach dem Weg wieder auf. Fand ihn tatsächlich auch genauso, wie er in der Karte verzeichnet war, bevor der Quadweg gebaut wurde, stiefelte runter zur Möslalm und bog in in den Verbindungsweg zwischen Möslalm und Paindl ein, der bis heute in der Online-Kompass-Karte verzeichnet ist und 2007 auch noch in der gedruckten Wanderkarte des Vermessungsamts veröffentlicht wurde, die ich dabei hatte.

Kaum erreichte ich die Grenze zum Paindl-Gelände und setzte mich dort kurz hin, um die Karte zu studieren, fuhren der Azubi und sein Chef mit zwei Autos übers Almgelände zu mir her, und dann ging's los. Während der Azubi mich noch sehr ruhig ansprach, schrie Herr B. erstmal 5 Minuten herum und das war schon arg grenzwertig, was ich da zu hören bekam. Was ich mir denn einbilde, ich hätte ja überhaupt keine Ahnung von der Natur, er habe sich das gleich gedacht, dass ich hier entlang wolle, als er mich gesehen habe, und mir darum hier aufgelauert und mich jetzt gestellt!

Hallo??? Einem Wanderer "aufgelauert" und ihn "gestellt", weil der über einen Weg gegangen ist, der in der Wanderkarte verzeichnet ist? Ja geht's noch? Erst nach ca. 5 Minuten kam ich dann auch zu Wort, und als ich Herrn B. mit dem Wort "Setzzeit" kurzzeitig aus dem Konzept gebracht hatte :-), konnten wir uns dann sogar einigermaßen normal unterhalten. Schaun wir uns mal an, was Herr B. alles zu sagen hatte und was davon richtig ist und was nicht.

"Der ganze Berg hier ist Privatbesitz, da darfst Du doch nicht einfach überall hier herumlaufen."

Das sagte der Azubi, bevor Herr B. eintraf. Mit dem hätte ich gerne diskutiert, denn der agierte viel ruhiger. Die Aussage ist aber trotzdem falsch. Fakt ist:

  • Im Privatwald gilt in Bayern das freie Betretungsrecht der Natur genauso wie in den Staatsforsten. Ein privater Waldbesitzer hat keine Möglichkeit, seinen Wald generell für den Zugang zu sperren. Ein allgemeines Betretungsverbot aus Naturschutzgründen darf nur das Landratsamt erlassen.
  • Es gibt sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ein Betretungsverbot durch den Eigentümer zu rechtfertigen, nämlich Artikel 33 das Bayerischen Naturschutzgesetzes. Der erlaubt Sperren, wenn sonst die Nutzung des Grundstücks erheblich behindert oder eingeschränkt würden oder eine Schädigung von Forstkulturen oder Nutzpflanzen zu erwarten ist, wenn oder regelmäßig eine Vielzahl von Leuten das Grundstück betritt und dadurch seinen Ertrag mindert oder es unzumutbar beschädigt oder beschmutzt. Das Begehen von vorhandenen Pfaden kann auf dieser Grundlage nicht verboten werden, sofern sich nicht am Tag Dutzende von Leuten dort lang wälzen und überall ihren Müll hinwerfen. Ansonsten ist nur eine kurzzeitige(!) Sperrung aus Naturschutzgründen oder zur Jagd etc. möglich.
  • Satz 2. der Art. 33 erlaubt allerdings folgendes: "Bei Wohngrundstücken ist eine Beschränkung nur für den Wohnbereich zulässig, der sich nach den berechtigten Wohnbedürfnissen und nach den örtlichen Begebenheiten bestimmt."
    Damit könnte man das Betreten von Paindl und der Möslalm verbieten, allerdings bezweifele ich, dass das Wohngrundstücke sind. Wohngebäude könnten höchsten die in Paindl sein, aber ich wette, dass dort niemand wohnt, sondern es nur als Wochenendhaus genutzt wird. Sämtliche Fensterläden waren jedenfalls beide Mal geschlossen, als ich dort war. Und selbst wenn, müsste nach Art. 27 eine deutliche Sperre (Zaun o.ä.) oder eine Beschilderung wie "Privatgrund, Betreten verboten" vorhanden sein. Was bei der Möslalm überhaupt nicht und in Paindl nur an der Straßenseite der Fall ist. Dort, wo die beiden mich "stellten", war überhaupt kein Schild, so dass ich berechtigt war, das Gelände von Paindl zu betreten.
    Erst später erfuhr ich, wem das Gelände gehört: dem Großherzog von Luxemburg. Dass der hier nicht wohnt, dürfte klar sein :-) Dass die adeligen Herrschaften der Meinung sind, dass die deutschen Gesetze für sie nicht gelten, kann man hier nachlesen, unten in den Kommentaren. Ob der behördlichen Anordnung inzwischen Folge geleistet wurde, weiß ich leider nicht.
"Das ist ein Naturschutzgebiet, da darfst Du überhaupt nicht einfach so durchlaufen!"

Das kam jetzt von Herrn B. Stimmt auch, "einfach so", darf man durch das Naturschutzgebiet nicht laufen, sondern muss besondere Rücksicht auf Pflanzen und Tiere nehmen. Aber das Begehen von vorhandenen Pfaden ist an keiner Stelle untersagt (vgl. Par. 4 "Verbote"). Nur das Anlegen von neuen, und dazu kommen wir gleich noch. Tatsächlich ist es natürlich gerade rücksichtsvoll, wenn man auf den Pfaden bleibt und nicht weglos herumstapft, ganz besonders im Naturschutzgebiet. Aber genau das war ja auch mein heutiges Vorhaben.

"Da gibt's Rotwild und Auerhähne, da darf man doch nicht einfach durchlatschen!"

Das muss man sich laut geschrien vorstellen und als Schlusssatz einer minutenlangen Tirade mit Sätzen wie "Ihr habt's alle überhaupt keine Ahnung von der Natur" und "Wie kann man so ahnungslos sein, dass man in so ein Gebiet geht", und das bezog sich erneut auf den Weg zwischen Möslalm und Paindl (es sei kurz angemerkt, dass es den seit weit über hundert Jahren gibt). Hier brachte ich Herrn B. dann völlig aus der Fassung, als ich beim Luftholen schnell einwarf: "Ich weiß, darum komm ich auch erst ab Juli in dieses Gebiet, wenn die Brutzeit des Auerhuhns und die Setzzeit des Rotwilds vorbei ist." Schließlich hatte ich mich nach der Mail des Landratsamts informiert.

Da verstummte Herrn B. völlig verwirrt und nach 2-3 gestotterten "Äh" und abgebrochenen Sätzen, die irgendwie nicht mehr passten, kamen wir dann zu einem etwas vernünftigeren Ton und führten ein wechselseitiges Gespräch :-)

Auf der Naturschutzseite hab ich schon einiges zum Wildschutz gesagt und entsprechende Artikel verlinkt. Und wie gesagt, bitte ich alle Wanderer darum, ihre Besuche hier auf Juli und August zu beschränken und nicht gerade in der Dämmerung über die kleinen Pfade zu streifen (wer ins Dunkle kommt, geht sowieso besser über die Straßen ab der Mösl- oder Paindlalm zurück). Tagsüber im Sommer ist der Stress für Tiere bei einer Begegnungen mit Menschen tatsächlich am geringsten, in der Dämmerung oder der Winterzeit nimmt er hingegen enorm zu. Kann man in den verlinkten Publikationen alles nachlesen.

Dass man nach August auch nicht mehr herkommt sollte, liegt daran, dass dann die Herbstbalz des Auerhuhns und die Brunftzeit des Rotwilds beginnt, und dabei sollte man auch nicht stören. Ich war da mit September also tatsächlich auch schon zu spät dran.

"Der Weg ist aufgelassen, da geht seit 30 Jahren keiner mehr lang! Nicht mal wir!"

Auch immer wieder ein gern verwendetes Argument, aber kein gültiges. "Aufgelassen" bedeutet nichts weiter als "nicht mehr gepflegt" oder "nicht mehr offiziell betreut". Aber das bedeutet nicht "gesperrt"! Tatsächlich kann man einen Weg auch nicht einfach sperren, s.o., da müsste schon eine Gefahrensituation vorliegen oder das Landratsamt ein Betretungsverbot erlassen.

Ein Weg, der aufgelassen wurde, verschwindet deswegen auch nicht einfach. Der Weg ist auch bis heute in den Wanderkarten abgedruckt, bei Kompass sogar online. Wenn er da ist, kann man ihn begehen. Punkt. Und dieser Pfad zwischen Möslalm und Paindl ist nun sowas von eindeutig und gut ausgeprägt. Dass der Besitzer von Paindl meint, den Pfad nicht mehr warten zu müssen, ist sein gutes Recht, aber selbstverständlich leitet sich daraus nicht ab, dass jemand anderes den Weg nicht betreten darf. Tatsächlich erwähnte Herr B. zwischendurch mal im Nebensatz, dass es beim Auflassen des Wegs um die Mountainbiker ging, die man fernhalten musste. Vielleicht liegen deshalb sowohl am Bergrücken vor dem Fischbachl als auch gleich hinter der Möslalm umgestürzte Baumstämme so auffällig quer über dem Pfad.

Dass der Jäger und sein Gehilfe den Pfad nicht mehr begehen, wäre genauso wenig ein Argument für Wanderer, aber tatsächlich ist das so auch nicht ganz richtig. Irgendwer befüllt ja das Futterhäuschen auf dem Rücken nördlich des Fischbachl, an dem wir vorbeikamen, und da kommt man anders von Paindl aus nicht hin. Der Fußabdruck im Matsch 300 m vor der Möslalm sowie ein Jägerstand am Weg 500 m von Paindl entfernt sprechen auch nicht wirklich dafür, dass hier niemand mehr langgeht.

An dieser Stelle zeigte sich übrigens, dass Herr B. die Rechtslage ganz genau kennt. Um den Pfad haben wir nämlich lange diskutiert, ich immer mit meiner Wanderkarte des Vermessungsamts herumwedelnd. Irgendwann sagte ich dann "Ja, woher soll ich das denn wissen, wenn der Weg in der Karte abgedruckt ist? Dann machen Sie halt ein Schild hin, Durchgang wegen Wildschutz verboten." Das hab ich ihm 2x vorgeschlagen, aber da wiegelte er immer ab mit "Ja ist doch schlimm, wenn man alles verbieten und reglementieren muss". Fakt ist: So ein Schild darf er nicht aufstellen, das dürfte nur das Landratsamt mit einem Betretungsverbot. Und das war ihm auch ganz klar, darum sagte er nie "Du darfst nicht über diesen Weg gehen!", sondern immer nur Sätze wie "Du siehst doch, dass da keiner mehr langgeht", "Da ist seit 30 Jahren keiner mehr lang", "Das siehst Du doch, wie das zugewachsen ist. Das muss doch klar sein, dass das kein Weg mehr ist".

"Die Tiere wittern Dich auf 1 km und kriegen Panik!"

Wörtlich gefallen. Das beliebte Totschlag-Argument der Jäger: Die armen Tiere werden ständig von den Wanderern durch den Wald gehetzt. Natürlich gibt es Situationen, in denen so etwas eine wirklich schlimme oder gefährliche Situation für das Wild wäre. Wenn man z.B. im Winter einem Tier nachstellt, wenn die Flucht enorm anstrengend ist und es eh nicht genug zu Essen gibt. Oder wenn man in der Dämmerung mitten durchs Unterholz streift, wohin sich die Tiere zurückgezogen haben, und sie unerwartet aufscheucht. Oder wenn man einen Hund unangeleint durch den Wald rennen lässt. Aber so allgemein sind die Behauptungen zu dem angeblichen Fluchtverhalten stark übertrieben, und das hat wohl jeder Wanderer schon mal erlebt (und kann in den erwähnten Publikationen auch nachgelesen werden).

Auch im Fischbachl bin ich tatsächlich 2x auf Rotwild gestoßen, einmal davon hatte ich den Wind definitiv im Rücken, beim anderen Mal weiß ich es nicht. Einmal befand ich mich Fischbachl 03319.JPG 50 Meter entfernt und 3 Rehe querten den Weg. Sie sahen mich, blieben stehen, ich blieb auch stehen, und als ich mich nicht weiter auf sie zu bewegte, setzten sie ihren Weg fort. Beim zweiten Mal kam ich um die Kurve und sah eine Gruppe Rehe im Grashang über mir, Luftlinie 50 Meter entfernt und gut 10 hm über mir. Auch die beobachteten ganz genau, was ich tat, und als ich beim Weitergehen noch etwas näher an sie herankam, stiegen sie ca. 5 Meter weiter hinauf und blieben dort erneut stehen und schauten zu, wie ich unter ihnen entlang ging.

Und genauso hab ich es auch immer mit den Gämsen erlebt. Wenn die einen aus sicherer Entfernung von um die 50 m entdecken, fliehen sie keineswegs, sondern beobachten, ob sich die Wege kreuzen werden. Wer dann einfach kurz stehenbleibt, falls die Tiere selbst in Bewegung sind, oder, falls sie stehen und schauen, ganz normal und ohne Lärm weitergeht, verschreckt die Tiere keineswegs so, wie von Jägern immer behauptet.

Was anders wäre es, wenn man z.B. brütende Auerhühner oder schwangere Rehe aufscheuchen würde, die im Zweifel erst im letzten Moment die Flucht ergreifen. Um das zu vermeiden, sollte man sich hier ja auch auf die Pfade und auf Juli/August beschränken.

"Naaaa, auf dem Fahrweg darfst Du auch nicht lang!"

Das war echt das Schärfste, und da musste ich echt aufpassen, dass ich nicht anfange zu lachen. Irgendwie kamen wir auf den Quadweg, wo wir uns begegnet waren, und ich sagte, da hätte ich ja wohl langgehen dürfen. Nein! Dürfe ich auch nicht! Weil ich nämlich auch da das Wild aufscheuchten und erschrecken würde! - Ach, und er mit seinem Quad nicht??? - Nein, da hätten sich die Tiere dran gewöhnt! - Aber ist da oben nicht auch eine Almwiese und hatte er nicht vorhin erzählt, dass erst kürzlich der Almabtrieb über diesen Weg stattfand...?

An der Stelle hatte ich dann irgendwann keine Lust mehr, denn das fand ich dann doch lächerlich, dass ich einen Fahrweg als Wanderer nicht begehen dürfen soll, auf dem ein Viehab- und -auftrieb stattfindet und der Jäger motorisiert langfährt. Also trennten wir uns und ich durfte sogar "Ausnahmsweise!" durch Paindl hindurchgehen (wozu ich ja eigentlich sowieso berechtigt war, s.o.), um zur Straße zu gelangen. Von wo aus ich natürlich weiter die alten Pfade suchte (die es laut Herrn B. dort schon lange nicht mehr gibt!), schließlich wollte ich ja das weglose Wandern vermeiden.

separator
Geht's hier um Naturschutz?
Geht's hier um Naturschutz?

Man darf sich das unfreundliche Auftreten von Herrn B. nicht von den Fakten ablenken lassen, und wenn man die mal betrachtet, kommen einem doch leichte Zweifel, ob es bei dem Versuch, Wanderer fernzuhalten, wirklich um den Schutz der Natur geht. Es gibt nämlich durchaus Fakten, die nicht wirklich dafür sprechen, dass dem Naturschutz in Paindl großer Stellenwert eingeräumt wird.

Die neue Straße nach Paindl

In der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Karwendel und Karwendelvorgebirge" heißt es in Paragraph 4 wörtlich: "Es ist deshalb vor allem verboten: ... 3. Straßen, Wege, Pfade, Steige,... neu anzulegen oder bestehende zu verändern,..."

Als ich abends von Paindl aus zurück ins Tal wollte, ging ich über den alten Fahrweg zurück, der neben der neuen Straße verläuft. Im Bayernatlas sind beide eingezeichnet. Der Fahrweg war wirklich noch gut erhalten und überall ziemlich breit (nur die wilde Müllkippe an seinem Rand gleich unterhalb von Paindl trübte den Gesamteindruck ein wenig).

Fischbachl 03884.JPG
Fischbachl 03886.JPG

Jedenfalls fragte ich mich, wozu man überhaupt die neue Straße benötigt, wenn es hier einen Auto-breiten Fahrweg gibt, dessen Steigung auch nicht sonderlich stark ist. Für ein geländegängiges Auto wie das, mit dem Florian auf unserer Fischbachlwanderung beinahe überfahren worden wäre, jedenfalls kein Problem.

Zu Hause warf ich mal einen Blick in die Karten und stellte Folgendes fest: Das Naturschutzgebiet Karwendel wurde 1982 eingerichtet. 1986 ist in der Karte des Vermessungsamts aber nichts von der neuen Straße zu sehen. Da ist der alte Fahrweg als Hauptzufahrt markiert, der neue Straßenverlauf ist zwar schon vorhanden, aber nur als Nebenweg und gestrichelt gekennzeichnet, ein kleines Verbindungsstück fehlt sogar ganz.

Das kann nur Folgendes bedeuten: Entweder wurde die Straße vor 1982 gebaut, also bevor das Naturschutzgebiet eingerichtet wurde. Dann hat das Vermessungsamt ein paar Jahre lang gepennt und nicht mitbekommen, dass dort schon seit 4 Jahren eine neue Straße existiert, als sie 1986 ihr neues Kartenwerk herausgebracht hat. Nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich. Oder die Straße wurde nach 1982 gebaut bzw. vom kleinen Nebenweg zur planierten, breiten Straße ausgebaut. Beides wäre laut Naturschutzverordnung erst mal verboten.

Die Quadwege am Fischbachl

Da ist die Sache eindeutiger, denn selbst in der Vermessungsamtskarte von 2007 ist weder der Weg nördlich des Fischbachls vorhanden, auf dem Steffi, Florian und ich damals zur Möslalm abgestiegen sind, noch der Weg, der westlich von Paindl den Hang hinaufführt. Letzterer ist im heutigen Bayernatlas zu sehen, vom nördlichen Weg ist nur der Anfang an der Straße verzeichnet. Auch wenn man sich den Zustand dieser Fahrwege einmal anschaut, ist völlig klar, dass die erst vor wenigen Jahren angelegt wurden:

Fischbachl 03536.JPG
Fischbachl 03153.JPG Fischbachl 03171.JPG
Fischbachl 03159.JPG

Die angerichteten Schäden an der Natur sprechen für sich. Und wenn man sich klar macht, das die in Kauf genommen wurden, damit man dort nicht mehr zu Fuß gehen muss, sondern bequem mit dem Quad entlangfahren kann, dann hört sich der Vorwurf, ich hätte überhaupt keine Ahnung von der Natur, weil ich einen vorhandenen, 150 Jahre alten Pfad entlanggehe, doch irgendwie absurd an.

Genehmigt oder nicht? Eigentlich egal...

Ich weiß nicht, ob für den Bau der Straße nach Paindl und die Quadwege behördliche Genehmigungen erteilt wurden. Falls das geschehen ist, kann man das Papier, auf dem die Naturschutzverordnung Karwendel gedruckt ist, in Streifen schneiden, aufrollen und beim nächsten Toilettengang wenigstens noch einer sinnvollen Verwendung zuführen. Mehr ist die Verordnung dann tatsächlich nicht wert, denn wozu braucht es eine Naturschutzveordnung mit einer Liste von Verboten, wenn jeder, der mal freundlich fragt, nach Belieben Straßen und Quadwege bauen und dabei unfassbare Schäden anrichten darf? (Es sei hier auch nochmal auf die Mooslahneralm verwiesen, wobei die Paindl-Leute damit nichts zu tun haben).

Letztendlich ist es einer Hinsicht aber auch egal, ob hier Genehmigungen erteilt wurden oder nicht: der Bau an sich zeigt, dass zumindest den Besitzern von Paindl (Herr B. mag dagegen gewesen sein, nutzt die Quadwege aber trotzdem gerne) das Thema "Schutz der Natur" vielleicht doch eher... sagen wir mal... "nicht ganz so wichtig" ist. Mit diesem Argument Wandereren den Zugang zu vorhandenen Pfaden verwehren zu wollen, ist, wenn man sich die Bilder der Quadwege anschaut, ausgesprochen scheinheilig und entlarvt, worum es hier letztendlich geht: Wenn der Großherzog mit seinen Jagdgästen eintrifft, soll das Wild nicht von irgendwelchem bürgerlichen Wandergesindel scheu gemacht worden sein, sonst kann man sich womöglich am Abend nicht mit den geschossenen Trophäen rühmen, und das wäre ja schon sehr ärgerlich.

separator
Fazit
Fazit

Wenn man den Besitzern von Paindl und Herrn B. wohlgesonnen ist, kann man argumentieren, dass sie vielleicht weniger Wert auf den Schutz von Pflanzen, aber dafür wenigstens auf den der Tiere legen. Zumindest scheint ein Beitrag mit dem Titel "Sonnenseite fürs Wild" in der "Jagd und Hund"-Zeitschrift, Ausgabe 22/2011 darauf hinzudeuten. Er ist nicht abrufbar, aber wird in diesem Vortrag dahingehend positiv zitiert. Es findet sich auch ein interessanter Artikel von Herrn B. zur Gamsjagd im Internet, aus dem man ersehen kann, dass es sich hier definitiv um einen qualifizierten Berufsjäger handelt, dem mit Sicherheit daran gelegen ist, den Wildbestand in einer gesunden Form zu pflegen und zu erhalten (nein, ich bin kein grundsätzlicher Gegner der Jagd).

Aber das rechtfertigt nicht, jeden Wanderer als Vollidioten abzustempeln, lautstark zu beschimpfen und ihm weismachen zu wollen, man dürfe den Wald nicht betreten. Dass ein Nebeneinander von Wanderern und Jägern bestens funktioniert, zeigt sich an den Bayerischen Staatsforsten und deren Jägern, mit denen ich nun schon mehrfach Kontakt hatte. Einer sagte mir sogar mal wörtlich "Ja, da ärger ich mich schon kurz, wenn ich 2 Stunden irgendwo hochsteig, und dann merk ich, dass da gerade jemand unterwegs war. Da ist dann das Wild weg. Aber mei, so is halt, der Wald gehört uns allen, und da hab ich dann halt mal Pech gehabt und muss morgen nochmal steigen."

Nachdem es auf der Fischbachl-Tour keinerlei Einkehrmöglichkeit gibt und die Pfade zudem schwierig a) zu finden und b) zu gehen sind, werden 99.9% der Alpen-Touristen sowieso nie hierherkommen wollen. Die Anzahl der Leute, die solche Wanderungen mögen, ist enorm gering, und selbst die ziehen in der Mehrzahl irgendwas zwar Einsames, aber mit Gipfelaussicht vor. Es werden sich also niemals mehr als eine Handvoll Leute hierher begeben. Und wenn die sich tatsächlich auf den Juli und August beschränken und zu normalen Tageszeiten auf den beschriebenen Pfaden bleiben, dann seh ich kein vernünftiges Argument, wieso ein Nebeneinander von Wild, Wanderern und Jäger nicht möglich sein sollte.

Wenn man die Tour unternehmen möchte, ist es im Zweifel hilfreich, wenn man sich ein paar Dinge ausdruckt und mitnimmt, um die Behauptungen von Herrn B. widerlegen zu können: die passenden Seiten aus dem Bayerischen Naturschutzgesetz (Art. 26, 27 und 33), die Naturschutzgebietsverordnung und die Vermessungsamtskarte von 2007 (und evtl. 1979 für das 2007 fehlende Pfadstück nördlich des Fischbachls). Der Aufstiegspfad zwischen dem unterem Ende das Fischbachls und der Futterhäuschen ist in keiner Karte verzeichnet, aber anhand einiger durchgesägter Baumstämme im Weg erkennbar von Menschenhand angelegt oder zumindest gepflegt (siehe Wanderwebseite)

Ob man mit Kindern natürlich so eine Begegnung riskieren möchte, ist eine ganz andere Frage. Ich werd bestimmt mal wieder hingehen und mir im Falle einer erneuten Begegnung vermutlich die Bemerkung nicht verkneifen können, dass Adelige in Bayern keine Sonderrechte mehr genießen ;-)

 

Frank Steiner (Email)